Putin ersetzt Verteidigungsminister - Zivilist Beloussow folgt Schoigu

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- von Guy Faulconbridge und Andrew Osborn

Moskau (Reuters) - Mitten im Krieg gegen die Ukraine ersetzt der wiedergewählte russische Präsident Wladimir Putin seinen Verteidigungsminister überraschend durch einen Wirtschaftsexperten.

Amtsinhaber Sergej Schoigu werde Sekretär des nationalen Sicherheitsrats und als Minister von dem Zivilisten Andrej Beloussow abgelöst, teilte die Präsidialverwaltung am Sonntag mit. Der 65-Jährige Putin-Vertraute Beloussow war früher Wirtschaftsminister und zuletzt Erster Stellvertretender Ministerpräsident. An dem langjährigen Außenminister Sergej Lawrow will Putin den Angaben zufolge festhalten. Auch Generalstabschef Waleri Gerassimow solle im Amt bleiben.

Angesichts der gestiegenen Militärausgaben wünsche sich Putin wirtschaftliche Expertise an der Spitze des Verteidigungsressorts, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. "Der Verteidigungsminister sollte offen für Innovationen sein, für die Einführung jeglicher fortschrittlicher Ideen." Deswegen sei die Wahl auf den Ökonomen Beloussow gefallen. "Wer offener für Innovationen ist, wird siegreich auf dem Schlachtfeld sein." Beloussow, der dem früheren Geheimdienstoffizier Putin die Bedeutung von Digitalwirtschaft und Blockchain nahegebracht haben soll, ist gleichwohl wie der Präsident ein Verfechter eines starken Staates.

Dass Putin sich für einen Vertreter des Wirtschaftsflügels in der russischen Führung entschied und nicht für einen Angehörigen des mächtigen Sicherheitsapparats, gilt dennoch als Überraschung. Zu letzteren, als "Silowiki" bezeichneten Kräften zählt Schoigu. Das könne bedeuten, dass Putin plane, den Krieg gegen die Ukraine mit einer weiteren Stärkung der Rüstungsindustrie und mithilfe internationaler Märkte zu gewinnen, erklärte der Russlandexperte Alexander Baunov. Der Senior Fellow am Carnegie Russia Eurasia Center war früher russischer Diplomat.

Schoigu und Gerassimow waren in Russland wiederholt wegen militärischer Fehlschläge in der Ukraine kritisiert worden. Russland hatte 2014 die ukrainische Halbinsel Krim in einem international nicht anerkannten Schritt annektiert und zudem Separatisten in der Ostukraine unterstützt. Im Februar 2022 begann die russische Armee einen Großangriff auf das Nachbarland, der von der russischen Regierung als "militärische Spezialoperation" bezeichnet wird. Der Ukraine gelang es, große Teile der zunächst besetzten Gebiete zurückzuerobern. Seit einiger Zeit ist die Ukraine jedoch in der Defensive.

GESICHTSWAHRENDER ABGANG FÜR PUTINS ANGELGENOSSEN

Der in Russland umstrittene Schoigu gilt als einer der engsten Vertrauten Putins und war einer der dienstältesten Minister. Schoigu, mit dem sich Putin wiederholt auf Angeltouren zeigte, war vor seinem Wechsel ins Verteidigungsressort 2012 viele Jahre Katastrophenschutzminister gewesen. Die neuerliche Versetzung des 69-Jährigen ist formal ein Aufstieg und gilt damit als gesichtswahrender Abgang. Die Zukunft des einflussreichen bisherigen Sicherheitsratssekretärs Nikolai Patruschew blieb zunächst offen. Die künftigen Aufgaben des 72-Jährigen würden in den kommenden Tagen bekannt gegeben, erklärte Peskow. Vorsitzender des Sicherheitsrats ist Putin.

Die bisherige Regierung war verfassungsgemäß zurückgetreten, als Putin am Dienstag seine fünfte Amtszeit als Präsident angetreten hatte. Der 71-Jährige, der vor mehr als 24 Jahren erstmals Präsident wurde, war im März bei einer international als weder frei noch fair kritisierten Wahl bestätigt worden. Nach der Wiederernennung von Ministerpräsident Michail Mischustin, der als effizienter Technokrat mit ökonomischem Fachwissen gilt, waren am Samstag bereits weitere Personalpläne Putins für die neue Regierung bekannt gegeben worden.

ERNEUT WIRTSCHAFTSEXPERTE ALS VIZEPREMIER

Auf Beloussows Posten des ersten Stellvertreters von Mischustin wird demnach der bisher für die russische Kriegswirtschaft verantwortliche Minister Denis Manturow befördert. Manturow, der das Ressort Industrie und Handel leitete, gibt seinen Ministerposten an den bisherigen Gouverneur von Kaliningrad, Anton Alichanow, ab. Manturow solle aber auch in seiner neuen Funktion für die Industrie verantwortlich sein, hatte die Regierung mitgeteilt.

Es gilt als sicher, dass das Parlament Putins Personalplänen die erforderliche Zustimmung erteilt.

(Bericht von Guy Faulconbridge und Andrew Osborn. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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